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Wirtschafts-Kulte vs. Planetare Intelligenz

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Foto von Lars Weber

Lars

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DIGG vs. EGG

Wenn wir heute vor einem planetaren Kollaps stehen, liegt das auch an den im Wirtschaftsleben üblichen Verhaltensmustern, die wir nicht unmittelbar damit in Verbindung bringen. Wir halten vielmehr an ihnen fest und versuchen, mit ihrer Hilfe die planetaren Herausforderungen zu meistern, was nicht gelingen kann. Wir sind also in einem Paradox gefangen.

Führungskult, Konkurrenz- und Dominanzdenken, Skalierungswahn – uvm. haben die heute erreichte planetare Zerstörung erst möglich gemacht. Die alten Muster lassen uns wieder in die Fallen beschränkter Konzern- und National-Interessen stolpern. Unabhängig vom planetaren Diskurs werden diese schlechten Angewohnheiten sogar weiter medial gefeiert. Man glaubt, ohne sie keinen Wandel bzw. die allseits beschworene Transformation erreichen zu können.

Teilaspekte dieser Paradoxie habe ich schon in Beiträgen zum Humanen Funktionalismus und zur Planetaren Intelligenz angesprochen. An den schädlichen Verhaltens- und Denkweisen hat sich in den letzten Jahren aber kaum etwas verändert. Sie sind tief in uns verankert und wir errichten Kulte um sie, während wir schon längst wissen könnten, dass sie nicht funktionieren.

Ich nenne die inzwischen zunehmend dysfunktionalen Denk- und Handlungsmuster hier bewusst „Kulte“, um ihren irrationalen Charakter zu betonen. Stellen wir uns zur Veranschaulichung ein typisches aggressives Muster wie das der Rohstoff-Extraktion vor, das gerade auf die Tiefsee und die Arktis einschließlich Grönlands ausgeweitet wird. Höchst fragile Ökosysteme werden ins Visier genommen, als habe es die Zerstörung der Regenwälder, wie die bevorstehende Degradation des Kongobeckens oder Amazoniens in ein halbtrockenes Buschland nie gegeben. Ganz zu schweigen von der Vernichtung der nordamerikanischen und – deutlich früher - der europäischen Urwälder.

Ja, es gibt Schutzbemühungen. Es gibt aber auch große Akteure, die es für ihr rechtmäßiges nationales oder geschäftliches Interesse halten, diese zu missachten. Dass es keinen nationalen Schutz mehr ohne planetaren Schutz geben kann, wird bewusst ignoriert. Das gilt auch in kleinerem Massstab für Zersiedlung, Umweltverschmutzung oder die Zerstörung nichtmenschlichen Lebens.

Viele fortgesetzte Fehlentwicklungen haben mit dem Kult um Fehlverhalten zu tun. Bevor wir hier einigen Verhaltens- und Denkweisen nachspüren, stellt sich die Frage, was ist eigentlich „Kult“. Dieses zum Beispiel im Wort „Kultfilm“ zu findende Attribut scheint ja eigentlich eher Anerkennung auszudrücken - allerdings tatsächlich zu viel davon. Im hier gemeinten, heutigen Sprachgebrauch bedeutet Kult die übertriebene Verehrung, die jemandem oder einer Sache entgegengebracht wird.

Von diesen übertrieben verehrten Dingen, Denk- und Handlungsweisen gibt es in der Wirtschaft nicht gerade wenige.

Neben dem Wachstumskult fällt da sofort der Führungskult auf. Es herrscht die Ansicht, nur geführte und damit angeführte, also bedingt mündige, Menschen könnten überhaupt effizient handeln. Und damit sind wir schon beim dritten im Bunde, dem Effizienzkult.

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Alle drei verdanken sich einem tief in uns allen verankerten archaischen Anhäufungs- und Dominanzdenken, das bis heute wirtschaftliches Agieren bestimmt. Und das ich durch die Kurzformel DIG wie Dominanz (Unterdrückung ausgewogener Modelle), Ignoranz (gegenüber dem Planeten und seiner Bevölkerung) und Gier (archaische Anhäufungs-Sucht) beschreiben möchte. Zwei Seelen wohnen also, ach, wie bei Faust, in unserer Brust. Sinnigerweise hat das Wort Faust eine doppelte Bedeutung: Im Deutschen steht es für Wut und Aufruhr, ungezähmte Kraft und Gewalt. Vom Lateinischen hergeleitet - (aus faustus = glücklich) - heißt Faust hingegen der Glückliche. Damit verweist der Name dieses tragischen Helden, der sein Glück nicht selten mit Gewalt zu erreichen versucht, auf die tiefe Zerrissenheit seines Wesens. Um von dieser Zerrissenheit zunächst mindestens in ein Gleichgewicht zwischen DIG und EGG (Erkenntnis, Großzügigkeit, Gelassenheit) zu finden und langfristig eine EGG-Welt zu erreichen, müssen wir zugrunde liegende Verhaltens- und Denkweisen erkennen und ändern. Darum sehen wir uns hier einige davon etwas genauer an und zeigen neue Ansätze:

1. Der Wachstums- und Wohlstands-Kult

Er rechtfertigt bisher sämtliche wirtschaftliche Dynamik mit zwei Hauptargumenten. Erstens sei ohne Wachstum der Kapitalismus am Ende. Und zweitens diene dieses wirtschaftliche Wachstum natürlich der Erhaltung und Mehrung des Wohlstands. Beides ist schon rein ökonomisch betrachtet fragwürdig. Sehen wir uns aber zusätzlich das ökologische Wachstum und das Wohlergehen der Natur an, ist dieser Kult vorwiegend schädlich. Jedes Wirtschaften, auch das nachhaltige, vermindert den Natur-Wohlstand. Darüber hinaus mehrt es i.d.R. auch ökonomisch nur den Wohlstand privilegierter gesellschaftlicher Teilgruppen.

EGG-Ansatz: Prioisierung von Natur-Wohlstand, Bewahr-Ethik statt Arbeits-Ethik.

2. Der Führungs- und Entscheidungs-Kult

Schnelle Entscheidungen gelten als das Non-Plus-Ultra in Wirtschaft und Gesellschaft, das Veränderungstempo - so der Führungskult - muss durch effiziente Führung immer höher werden. Unklare, schwebende Zustände werden nicht geduldet. Aktion ist wichtiger als Reflexion. Hier zeigt sich, dass die wirtschaftliche Logik alten militärischen Prinzipien von Angriff, Eroberung und Dominanz folgt. Moderne Führungsmethoden bemänteln das zwar, strukturell liegt der wirtschaftlichen Aktivität aber nach wie vor das Prinzip des Kampfes zugrunde. Auch der Own-Your-Project-Kult schlägt in diese Kerbe. Sich etwas anzueigenen ist aber nicht planetar gedacht. Der Planet lebt dank Koexistenz, Gleichgewicht, schwebender Zustände, langsamer Anpassung und langer Entwicklungsbögen. (Wohin der Führungskult uns bringt, zeigt auch die autoritäre Überformung der Demokratien, deren eigentlich Balance-orientiertes Wesen gerade zersetzt wird.)

EGG-Ansatz: Koexistenz, schwebende Zustände und lange Entwicklungbögen geichrangig zulassen. Oft sind vage und schwebende Zustände planetenschonender als das Hands-on-Gebaren des entscheidungwütigen Machers. Ambiguitäts-Toleranz und ggfs. Servant Leadership erlernen.

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3. Der Unternehmer-Kult

Er geht so weit, zu behaupten, die Welt wäre besser, wenn jede und jeder unternehmerisch handeln würde. Das mag auf den ersten Blick bestechen, würde dann doch aus Sicht der unternehmerischen Ideologie jede/r einzelne Probleme aktiv angehen und damit auch noch Erträge generieren. Hierin liegen zwei Trugschlüsse. Zum einen scheitern 70-80% aller Unternehmensversuche, die wir heute beschönigend Start-Ups nennen. Sie verursachen also hauptsächlich Ressourcen-Verbrauch und andere planetare Kosten, die nirgends zu Buche schlagen, außer in der realen Natur selbst, sogar wenn sie nachhaltige Ziele verfolgen. Zum anderen sind UnternehmerInnen die Handelnden mit einem der größten ökologischen Fußabdrücke überhaupt. Das liegt am Skalierungs-Kult. Jede ökonomisch interessante Idee, sei sie für den Planeten auch noch so fragwürdig, wird bis zum Äußersten skaliert, weil sie nur so Investitionen rechtfertigt.

EGG-Ansatz: Einordnung des unternehmerischen Handelns in einen planetaren Zusammenhang kann auch bedeuten, weniger zu unternehmen. Wer etwas unternimmt, erzeugt i.d.R. einen viel größeren Fussabdruck, als ein anderer, der reflektiert sein Umfeld und die Welt hegt. Priorisierung von Unternehmen und Initiativen mit humaner und planetarer Zielsetzung.

4. Der Skalierungs-Kult

Die große Stückzahl, das milliardenschwere Einhorn, Milliarden von Kunden und Tausende, ja, Millionen von Mitarbeitern - sie bestimmen die wirtschaftliche Realität. Damit deformieren sie den Planeten. Wenn wirtschaftliche Aktivität einem gigantomanischen Endziel entgegenstrebt, kommen nicht nur überraschende lokale, regionale und ideosynkratische Lösungen zu kurz. Es werden auch begrenzte planetare Dienstleistungen wie Wasser, Boden, Atmosphäre, und Biodiversität für oft fragwürdige Zielsetzungen im größten Massstab verheizt. Der Skalierungskult gilt auch für Arbeitsplätze und bestimmt damit unsere Politik. Je mehr Arbeitsplätze eine Massnahme schafft, desto berechtigter erscheint sie und desto mehr Wählerstimmen verspricht sie (selbst die Demokratie basiert also auf einem Skalierungskult). Statt in Arbeitsplätzen müssen wir heute in Lebensplätzen denken, die nicht an Erwerbsarbeit gebunden sind und ökologische Kosten gleichrangig berücksichtigen.

EGG-Ansatz: Die Gier nach der großen Zahl überwinden. Überraschende lokale, regionale und ideosynkratische Lösungen denken, Lebensplätze statt Arbeitsplätze.

5. Der Digital-Kult

Verstärkt noch durch den KI-Kult suggeriert der Digital-Kult, dass Computer unsere Probleme lösen und uns letztendlich sogar retten werden. Folglich stecken viele Gesellschaften mehr Ressourcen in die Entwicklung von Maschinen-Intelligenz, als in die von menschlicher Intelligenz. Bildung zum eigenständigen Denken wird zurückgedrängt zugunsten der Ausbildung im Umgang mit Computern. Gesellschaftliche Teilhabe ohne Computer wird bald und ist in vielen Bereichen schon nicht mehr möglich. Heils- und Optimierungs-Versprechen bemänteln zunehmende Manipulation und Datenabschöpfung bis in kleinste gesellschaftliche Nischen. Aggressive Abgrenzung und Entfremdung gefährden Demokratie und Frieden. Noch immer versteht der/die Einzelne nicht, dass, was sich digital super anfühlt, real destruktiv sein kann. Unser analoges Gehirn ist überfordert. Der Digital-Kult ist dabei der Zwilling des Effizienz-Kults, das macht es so schwer, ihn zu relativieren. Denn er erzeugt natürlich ökonomische Wertschöpfung und lässt sich bis zur individualisierten Krebstherapie oder autonomer Saat-Technologie zu Geld machen. Gleichzeitig unterminiert er aber über autoritäre Trollarmeen, hybride Kriegsführung und entseelende Social Media Lebensqualität und-grundlagen. Die Frage, ob wir uns den Computern anpassen oder sie sich uns scheint zugunsten der Computer entschieden.

EGG-Ansatz: Noch viel mehr Digital-befreite Lebensbereiche schaffen, bewusst analoge Lösungen erhalten und vor allem massive Ausbildung zum selbständigen, kritischen Denken, das nicht von vornherein digital geframed ist, und damit Regression entgegenwirken.

6. Der Effizienzkult ist zweischneidig. Natürlich ist es gut, wenn Ziele mit möglichst angemessenem Aufwand erreicht werden. Auch in der Nachhaltigkeit spielt der Effizienz-Kult eine große Rolle, besonders als Sparsamkeitskult. Hier liegt sowohl ökonomisch als auch ökologisch allerdings auch schon der Stolperstein. Denn der planetare Wandel wird nicht mit Sparsamkeit umgesetzt werden können. Ganz im Gegenteil ist damit zu rechnen, dass die notwendigen Massnahmen uns bald zwingen werden, gegen sämtliche ökonomische Prinzipien zu verstossen. Wir werden zunächst über einen längeren Zeitraum höchste Summen investieren müssen, um den bereits angerichteten Schaden einzudämmen, Anpassungsmassnahmen wie z.B. Umsiedlungen, Schutzanlagen gegen Hochwasser, Stillegungen zerstörerischer Industrien durchzusetzen und unser Wirtschaften umzustellen. Die Rettung des Planeten und seiner Bewohner ist zwar ökonomisch bezifferbar, ihr Wert geht aber natürlich weit über jeden ökonomischen Massstab hinaus. Wer das nicht begreift, wer nicht alle Mittel zum Zweck des planetaren Schutzes mobilisiert, ohne auf den schnellen ökonomischen Nutzen zu schielen, wird den Wandel nicht bewältigen. Hier zeigt sich auch, dass die Fixierung auf Wirtschaftlichkeit einer der großen Hemmschuhe bei der Entwicklung planetarer Intelligenz werden kann. Das zweite Hemmnis ist paradoxerweise die dem Menschen immanente Angst vor Untätigkeit. Denn vieles werden wir auch einfach lassen müssen. Wir werden auch durch Moratorien die Biodiversität und das Klima regenerieren, durch strategischen und souveränen Verzicht unsere Gesellschaften resilienter machen und nicht zuletzt durch materielle Opfer privilegierte Schichten in die planetare Verantwortung nehmen. (Ökonomische) Effizienz ist ein Mittel, das überdacht, in einen beweglichen Rahmen gestellt und zeitweise sogar ignoriert werden muß, damit planetare Regeneration funktioniert. Zumal selbst bei höchstem Tempo die Ergebnisse der Anstrengungen nicht unmittelbar sichtbar werden können.

EGG vs. DIG

Wir sind in die hektischen, aggressiven Routinen unserer - ökonomischen - Welt verstrickt. Der Arbeitsbegriff DIG soll daran erinnern, allen dominanten, ignoranten und gierigen Regungen, die man bei sich selbst und anderen bemerkt, entgegenzusteuern und so Platz schaffen für EGG Erkenntnis, Großzügigkeit und Gelassenheit. Also Platz für die Entfaltung Planetarer Intelligenz und damit die Erhaltung unserer Welt.

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